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Windrad im Nebel bei.Morgendämmerung

Landschafts-bild

Untersuchungen zeigen, dass wir Landschaftsbestandteile als schön empfinden, an die wir gewöhnt sind. Unsere subjektive Bewertung hängt stark davon ab, was wir erwarten und mit einer schönen Landschaft assoziieren.

Windkraft und Landschaftsbild: Zwischen Energiewende und Ästhetik 

Die Energiewende ist ohne den massiven Ausbau der Windenergie nicht umsetzbar. Doch der Anblick von Windrädern in der Landschaft sorgt immer wieder für Diskussionen. Es wird vom Schutz des Landschaftsbildes gesprochen. Unter anderem weil Landschaftsschutz juristisch unter dem Naturschutz subsummiert ist, ist für viele Menschen der Schutz des Landschaftsbildes gleichbedeutend mit Naturschutz. Tatsächlich haben diese beiden Themen naturschutzfachlich aber nur wenig bis gar nichts miteinander zu tun. Medienvertreter:innen stehen vor der Herausforderung, komplexe Fakten zur Windkraft sachlich einzuordnen und gleichzeitig gesellschaftliche Debatten verständlich darzustellen. Dieser Beitrag bietet eine wissenschaftlich fundierte Einordnung zur Frage, wie Windkraftanlagen das Landschaftsbild beeinflussen und warum dieser Eingriff nicht zwangsläufig negativ bewertet werden muss. 

Landschaftsbild: Ein schützenswertes Gut? 

Eine Landschaft bezeichnet einen typischerweise 1 bis 1.000 km2 großen Abschnitt der Erdoberfläche. Sie wird u.a. von der Topografie bzw. Struktur, dem Boden, dem Klima, dem Wasserhaushalt, der Vegetation, der Tierwelt und anthropogenen Einflüssen charakterisiert (Schaefer, 2012; Reece, et al., 2016). Diese Parameter sind Teile lokaler Ökosysteme, die Ökosystemkomplexe bilden (Reece, et al., 2016). Es wird auf Basis des Hemerobiegrads zwischen Naturlandschaften, naturnahen Landschaften und Kulturlandschaften unterschieden. Kulturlandschaften werden weiteres, je nach der Art des anthropogenen Einflusses durch den Menschen, in Agrar-, Siedlungs- und Industrielandschaften unterteilt. Urlandschaften beschreiben jenen Typ, der vor dem Auftreten des Menschen vorhanden war (Schaefer, 2012). Eine Landschaft ist also eine deskriptive beschreibende Analyse eines Ist-Zustandes, während ein Landschaftsbild die normative Bewertung desselben darstellt. Dabei geht es um eine rein optische und subjektive Bewertung, die in weiterer Folge mit dem Erholungswert einer Landschaft in Verbindung gebracht wird. Mit dem Schutzgut Natur hat das wenig bis nichts zu tun. Es geht stattdessen um den Erholungsnutzen für Menschen, unabhängig davon, ob das präferierte Landschaftsbild ökologisch wertvolle Lebensräume beinhaltet oder nicht. Hinzu kommt, dass die Bewertung, wie schon erwähnt, subjektiv ist, wodurch das Landschaftsbild schwer messbar und Kriterien für „schöne“ Landschaften schwierig generalisierbar sind. 

Seit jeher hat das Handeln der Menschen die Landschaft geformt und ihr Aussehen geprägt. Ob ein Bauwerk als schön oder störend im Landschaftsbild empfunden wird oder nicht, hat viel mit Gewohnheit zu tun. Auch Hochspannungsleitungen, Fabriken oder Autobahnen sind Teil unserer Umwelt, und wir haben gelernt, damit zu leben.
Schon um 454–398 v. Chr. wusste Thukydides:

"Schönheit liegt im Auge des Betrachters."

Ein schönes Beispiel dafür liefert ein Zitat aus einer Mühlenzeitschrift aus dem Jahr 1913. Dort beklagt sich ein Mann:

Es schwindet die Romantik immer mehr, die Gegend wird kahl.

In seiner Gegend standen von einst zehn Windmühlen nur mehr vier.
Im 19. Jahrhundert war die Blütezeit der Windräder. In ganz Europa drehten sich rund 200.000 Anlagen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Windmühlen durch Dampfmaschinen abgelöst. Es begann das große Mühlensterben. Das Verschwinden der Windmühlen veränderte die Landschaft.

Danilo Köttsdorfer über Windräder:

"Wir haben lange neben Windrädern gewohnt. Als wir von Reichersdorf in den Nachbarort gezogen sind, hat mein kleiner Sohn David gesagt: Papa, die Windräder nehmen wir aber schon mit."

Das Landschaftsbild spielt in Österreich sowohl auf Landesebene in den Naturschutzgesetzen als auch auf Bundesebene im UVP-G (Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz) eine Rolle. Trotzdem wird der Begriff weder im UVP-G noch in den Landesnaturschutzgesetzen eindeutig definiert. Zudem verwenden die Naturschutzgesetze zusätzlich Begriffe wie „Landschaftsgestalt“ und „Landschaftscharakter“, was die eindeutige Bestimmung des Begriffs „Landschaftsbild“ weiter verkompliziert.  In den meisten Naturschutzgesetzen bezieht sich die Relevanz des Landschaftsbildes primär auf den damit in Verbindung gebrachten Erholungswerte einer Landschaft. Obwohl dieser unstreitig eng mit dem Landschaftsbild verknüpft ist, sollte er nicht mit dem Landschaftsbild gleichgesetzt oder darauf reduziert werden (VwGH-Erkenntnis 26.06.2014, 2011/10/0192). 

Studien zeigen, dass Menschen Landschaften bevorzugen, die als weit und geordnet wahrgenommen werden. Technische Eingriffe (darunter Hochspannungsleitungen, Gebäude oder eben Windkraftanlagen) werden in bislang weitgehend unberührten Landschaftsräumen oft als Fremdkörper empfunden. Allerdings zeigen andere Untersuchungen auch, dass wir Landschaftsbestandteile als schön empfinden, an die wir gewöhnt sind (insbesondere, wenn wir diese mit kultureller Identität assoziieren). Klassische Elemente wie Felder, Bauernhäuser oder alte Mühlen gelten genau deshalb als schön, weil sie in unser Idealbild einer „gesunden, schönen Landschaft“ passen. Kulturelle Prägung spielt dabei eine zentrale Rolle. Genauso können Windräder als neue kulturelle Landschaftszeichen wahrgenommen werden, vorausgesetzt sie werden als sinnvoll erkannt. Forschungen aus Spanien und mehreren europäischen Ländern zeigen: Menschen, die Windanlagen als Teil der eigenen Region erleben, bewerten diese deutlich positiver. Wurden die Windenergieanlagen auf zuvor wenig markanten Agrarflächen erreichtetn, wurden sie häufig sogar als Bereicherung eingestuft (López‑Martínez 2023). Dieser Effekt konnte in weiteren Studien bestätigt werden. So können in reizarmen Landschaften Windräder als ästhetischer Anker wirken. Eine australische Studie zeigt, dass in Gebieten mit geringer landschaftlicher Qualität Windparks die subjektive Bewertung der Landschaft verbessern., Sie wirken dann nicht mehr als Fremdkörper, sondern machen die Landschaft visuell interessanter. In Schottland etwa bezeichnet eine Gemeinde ihre drei Windräder liebevoll als „Three Dancing Ladies“. Die Menschen haben dort eine enge emotionale Bindung zu diesen neuen Landschaftselementen aufgebaut und diese zu einem Teil ihrer kulturellen Identität gemacht (Warren & McFadyen 2010). 

Unabhängig von all diesen Punkten sind ästhetische Urteile zudem oft moralisch geprägt. So wurde mit mehreren Studien aufgezeigt, dass Bewertungen von Windanlagen nicht nur auf visuellen Eindrücken beruhen, sondern stark von unserer moralisch-ideellen Haltung (etwa zum Klimaschutz) beeinflusst sind. Wer Windkraft gut findet, sieht die Anlagen als positiv und ordnend, nicht als störend (Kirchhoff et. al. 2022). 

Frau steht im Feld vor Windpark

Unsere subjektive Bewertung hängt also stark davon ab, was wir erwarten und mit einer schönen Landschaft assoziieren. Felder, Häuser oder Mühlen sind schön, weil sie vertraut sind. Warum dann nicht auch Windräder? Wenn sie als Teil unserer Heimat, sinnvoll und moralisch vertretbar wahrgenommen werden, entfalten sie denselben ästhetischen Reiz und können, wie traditionelle Landschaftselemente, als schön bewertet werden. Die Teilnahme der lokalen Bevölkerung am Planungsprozess, Harmonie in Design und Ausführung sowie sichtbarer Nutzen tragen entscheidend dazu bei, dass Windkraftanlagen nicht als Fremdkörper, sondern als neue landschaftliche Identitätsträger verstanden werden. 

Windkraft im Vergleich: Eingriffe mit geringer Flächenwirkung aber sichtbar 

Ein wissenschaftlich oft übersehener Aspekt ist der geringe Flächenverbrauch von Windkraftanlagen. Die Standfläche eines Windrads liegt meist unter 1 % der genutzten Windparkfläche, der Rest bleibt land- und forstwirtschaftlich nutzbar. Das Bauwerk ist vertikal. Windräder haben sehr wenig Flächenverbrauch, sind aber weithin sichtbar. Im Gegensatz zu Tagebauen, Verkehrsprojekten oder flächenintensiver Bebauung ist die Beeinflussung des Landschaftsbildes flächentechnisch betrachtet also vergleichsweise gering und reversibel. 

Darüber hinaus ermöglichen moderne Planungsverfahren (z. B. Sichtbarkeitsanalysen, Landschaftsbildbewertung nach UVP-G) eine frühzeitige Einbindung landschaftsästhetischer Kriterien in die Standortwahl. 

Fazit: Landschaftsschutz und Energiewende im Einklang denken 

Die Debatte um Windkraft und Landschaftsbild zeigt: Es geht nicht allein um Ästhetik, sondern um grundlegende Fragen gesellschaftlicher Prioritäten. Der Schutz des Landschaftsbilds ist zweifellos ein legitimes Anliegen, doch darf er nicht isoliert von der Notwendigkeit betrachtet werden, das Klima zu schützen und eine nachhaltige Energieversorgung sicherzustellen. 

Wissenschaftlich betrachtet ist die Wirkung von Windkraftanlagen auf das Landschaftsbild weder pauschal negativ noch unbeeinflussbar. Sie hängt von Standortwahl, Planungstransparenz und Gestaltung ab sowie von der Bereitschaft, technologische Landschaft als Teil einer verantwortungsvollen Zukunft anzuerkennen. 

Windkraft verändert Landschaft aber nicht zwangsläufig zum Schlechteren. Mit kluger Planung und öffentlicher Beteiligung kann sie Teil eines neuen, nachhaltigen Landschaftsbilds werden. 

Frau mit Blumenstraus vor Windrad

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